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In seinem Buch Beginning of Infinity beschreibt David Deutsch wie Systeme, die sich allmählich verbessern, plötzlich eine große Steigerung ihrer Funktionalität erfahren können und dadurch universell werden. Was hinter dieser Idee und dem Begriff der “Universalität” steckt, möchte ich in diesem Artikel behandeln.

Ein Beispiel für Universalität ist der Druckprozess. In früheren Zeiten musste ein Buch zeitaufwendig und handschriftlich kopiert werden. Das Resultat war dann genau ein weiteres Exemplar des Buches. Danach gab es die Möglichkeit, für jede Seite des Buches eine Druckplatte zu gravieren, um diese Seite beliebig oft zu kopieren. Dies hatte jedoch den Nachteil, dass jede Seite einzeln graviert werden musste und dann nicht wiederverwendbar war. Der Sprung zur Universalität gelang dann durch Platten mit beweglichen Buchstaben, welche in beliebiger Reihenfolge angeordnet werden konnten, um damit jedes Buch zu kopieren.

Das Beispiel des Drucks verdeutlich, wie ein System, welches schrittweise verbessert wird, durch eine Innovation universell wird und plötzlich in der Lage ist, jedes zu drucken. Dies hat indirekt zu einem beinahe exponentiellen Wachstum des menschlichen Wissens beigetragen, da Wissen deutlich effizienter verbreitet und gespeichert werden konnte.

Somit ist der größte Vorteil vom Sprung zur Universalität, dass er nicht nur das konkrete Problem löst (ein Buch zu drucken), sondern auch für weitere Innovationen sorgt, auch wenn diese Anfangs nicht vorhersehbar sind.

Somit ist ein universelles System in diesem Kontext ein System, welches so lange verbessert wird, bis es plötzlich über die Grenzen des ursprünglichen Bereichs einsetzbar ist, und dadurch unvorhersehbare Innovationen mit sich bringen kann.

Die Mathematik ist laut dieser Definition ebenfalls ein universelles System. Der ursprüngliche Nutzen von Zahlen war auf einfache Bereiche der Wirtschaft ausgelegt, wie die Lohnabrechnung oder das Zählen von Tieren, Menschen und Getreidemengen. Die ursprüngliche Mathematik war noch weit davon entfernt, universell zu sein. Es wurde anfangs nur mit Strichen gezählt, was das Rechnen mit sehr großen oder komplexen Zahlen unmöglich machte und die Zahl Null gab es auch noch nicht. Erst durch ständige Verbesserung wurde die Mathematik irgendwann mächtig genug, um als universelles System angesehen zu werden und heutzutage durchdringt sie beinahe jeden Bereich.

Universalität im Beruf

Heutzutage verwenden die meisten Büroarbeiter die klassischen Microsoft Programme Excel, PowerPoint und Word. Es ist natürlich wichtig, diese gut zu beherrschen, allerdings könnte es von größerer Bedeutung sein, die zugrundeliegenden Fähigkeiten zu meistern.

Jedes dieser Programme wird für einen bestimmten Bereich verwendet und dieser sollte eigentlich im Fokus stehen. Schließlich werden diese Programme irgendwann nicht mehr existieren und durch bessere, moderne Alternativen ersetzt, während der Bereich, für den sie verwendet werden, weiterhin von Bedeutung bleibt.

Das bedeutet, anstatt jede Funktion in Excel zu lernen, sollte man sich die Grundlagen der Mathematik aneignen, um zu verstehen, was die Funktionen bewirken und um sich sicherer im Umgang mit Zahlen zu fühlen.

Anstatt jede Funktion in PowerPoint zu lernen, sollte man lernen, Ideen mitreißend und präzise zu präsentieren. Dafür sollte man seine Präsentationsfähigkeit und soziale Kompetenz verbessern.

Anstatt jede Funktion in Word zu lernen, sollte man lieber die eigene Sprache und Ausdrucksweis verbessern und sich schriftlich möglichst präzise auszudrücken können. Es liegt also die Qualität und die Klarheit der eigenen schriftlichen Kommunikation im Vordergrund.

Somit ist es in der Regel besser, anstatt der Bedienung spezifischer Werkzeuge, sich mit dem grundlegenden Gebiet zu beschätigen. Denn die Werkzeuge, mit denen wir heute arbeiten, sind austauschbar und werden mittelfristig mit hoher Sicherheit durch bessere Alternativen ersetzt. Die grundlegenden Bereiche bleiben jedoch bestehen und so wie der Sprung zur Universalität unerwartete Nebeneffekte hat, so bringt auch ein gutes Fundament in den Bereichen Mathematik, Schreib- und Sozial-Kompetenz und die Fähigkeit sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen, in vielen Situationen Vorteile mit sich, die man nicht hätte vorhersehen können.

Programmiersprachen sind universelle Werkzeuge

Eines der universellsten Werkzeuge heutzutage ist eine Programmiersprache. Die Fähigkeit zu programmieren gewährt es einem, beinahe jede Idee zu verwirklichen.

Wenn ich ein Programm benötige, das mir die Häufigkeit jedes verwendeten Wortes in einem Text anzeigt, dann lässt sich das programmieren. Wenn ich ein Programm benötige, dass mir in riesigen Datensätze Muster zeigt, dann lässt sich das Programmieren. Wenn ich ein Programm benötige, das es mir ermöglicht, mit Menschen am anderen Ende der Welt zu kommunizieren, dann lässt sich das programmieren.

Programmierung erlaubt es heutzutage beinahe alles umzusetzen, was man sich vorstellen kann.

Im Gegensatz dazu steht Excel. Es ist zwar ein Programm mit vielen Funktionen, jedoch immer noch sehr eingeschränkt im Vergleich zu einer Programmiersprache. Man kann zwar auch in Excel programmieren, aber ich gehe mal davon aus, dass das die meisten nicht machen. Daher ist man überwiegend auf die von Excel mitgelieferten Funktionen angewiesen. Wenn ich eine Liste mit Namen habe und aus welchem Grund auch immer nur den zweiten Buchstaben großgeschrieben brauche, wüsste ich auf die schnelle nicht, wie ich das in Excel mit einer Liste von mehreren Tausend Namen mache. In einer Programmiersprache wie Python wäre das eine beinahe triviale Aufgabe.

Es mag zwar anfangs schwieriger sein sich in eine Programmiersprache einzuarbeiten, aber wenn man dafür die unvorhersehbaren Nebeneffekte und Möglichkeiten, die einem dadurch eröffnet werden, mit dem investierten Zeitaufwand abwägt, ist das aus meiner Sicht eine sinnvolle Zeitinvestition. Wenn man dann noch bedenkt, wie erschlagend Excel am Anfang ist, würde ich die Zeit lieber in ein deutlich universelleres Tool investieren.

Was natürlich nicht bedeutet, dass man Excel gar nicht braucht. Ich verwende auch häufig Excel, um Daten anzuzeigen oder um mir einen ersten Überblick zu verschaffen. Jedoch nutze ich dann doch immer Python, wenn es um komplexere Aufgaben geht.

Ein weiterer Vorteil des universellen Wissens ist, dass man sich nicht abhängig macht von einzelnen Werkzeugen, sondern sein breitgefächertes Wissen auf beinahe alles anwenden kann, was in die gleiche Richtung geht. Wenn man einmal die Grundlagen der Mathematik beherrscht, dann wird man sich schnell in Excel und jede Alternative davon einarbeiten.

Dies ist besonders wichtig für Personen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Die Technologien verändern sich heutzutage so schnell, dass man kaum vorhersehen kann, welchen Beruf man in 10 Jahren ausüben wird. Daher würde ich lieber auf universelles Wissen setzen, welches ich auf beinahe alles anwenden kann.

Natürlich ist die Hauptaussage hier nicht, dass wir die einzelnen Tools nicht mehr brauchen. Wenn ein Job Excel vorgibt, dann lohnt es sich genügend Zeit reinzuinvestieren, um Excel gut zu beherrschen. Aber wir sollten eben die einzelnen Tools nicht über universelles Wissen stellen, um möglichst unabhängig zu bleiben und die unvorhersehbaren Vorteile daraus zu ernten.

Universelles Wissen

In diesem Text wurde die Mathematik mehrmals als Beispiel für ein universelles System genannt, doch es gibt noch viele weitere.

Nochmal zur Erinnerung: Universelle Systeme zeichnen sich durch ihre große Reichweite aus und sie erklären deutlich mehr als ursprünglich vorgesehen. So wie die Mathematik das Gebiet der Wirtschaft verlassen hat und seitdem alle Bereiche durchdringt.

Um abzuschätzen, ob etwas universell ist oder nicht, kann die folgende Frage verwendet werden: Wird das Wissen auch noch in 10, 100 und 1000 Jahren relevant sein?

Je länger das Wissen relevant bleibt, desto lohnenswerter ist es, sich dieses anzueignen.

Die meisten Nachrichten sind bereits nach wenigen Tagen irrelevant und veraltet. Besonders Tagesnachrichten sind hiervon stark betroffen. Wenn in den Nachrichten etwas über die aktuellen Koalitionsverhandlungen steht, dann ist das Wissen ab dem Zeitpunkt, wo die Koalition zustande gekommen ist, veraltet. Daher sind wöchentliche Nachrichten, die bereits eine Filterung durchführen und nur die relevantesten Nchrichten der Woche vorstellen, deutlich besser um informiert zu bleiben.

Das vorherige Beispiel von Excel liegt in der mittleren Zeitspanne, denn es wird noch voraussichtlich für 10 Jahre relevant bleiben. Allerdings bezweifle ich stark, dass es auch in 100 Jahren noch verwendet wird.

Die Mathematik hingegen wird mit der Zeit nur relevanter.

Philosophie ist ebenfalls universelles Wissen, weil es nicht darum geht ein konkretes Problem zu lösen, sondern die allgemeine Fähigkeit des Denkens zu trainieren und sich logisch mit verschiedenen Problemen auseinanderzusetzen.

Anstatt das politische System eines einzelnen Landes, wie Deutschland, auswendig zu lernen, könnte es nützlicher sein, sich der Staatsphilosophie zu widmen. Wenn man lernt, was einen guten Staat ausmacht, versteht man dadurch nicht nur das deutsche System besser, sondern erkennt auch Fehler und kann probieren diese zu verbessern. Denn wie das politische System in Deutschland aufgebaut ist, kann sich jederzeit ändern. Institutionen können abgeschafft oder umbenannt werden, wohingegen die Grundprinzipien eines Rechtsstaats gleich bleiben und die Überlegung, was einen guten Staat ausmacht, zwar keine definitive Lösung hat, aber annäherungsweise auch in 1000 Jahren wahr sein sollte.

Damit haben wir schon mal zwei Bereiche identifiziert: Mathematik und Philosophie.

Die Fähigkeit des Argumentierens geht zwar stark in die Richtung der Philosophie, aber ich würde sie hier als separaten Punkt nennen. Wenn man lernt sich kritisch mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen, diesen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und Pro- und Contra-Argumente abzuwägen, dann hat man damit eine Basis geschaffen, die man auf beinahe jede Situation anwenden kann. Universeller geht es kaum.

Ebenfalls sehr universell, beinahe schon per Definition, sind die Naturwissenschaften. Insbesondere die Physik kann bereichsübergreifend zur Erklärung von Situationen verwendet werden. Das ist im Alltag oder Berufsleben nicht immer nötig, aber es macht Spaß sich ein tiefes Wissen der Realität anzueignen.

Zu guter Letzt würde ich hier die Evolution als universelles Wissen bezeichnen. Wenn man einmal verstanden hat, wie Gene und Meme sich verbreiten, kann man viele biologische und kulturelle Phänomene nachvollziehen.


Das schöne an universellem Wissen ist, dass man es in vielen Situationen anwenden kann. Es gibt kaum befriedigerende Momente, als Wissen aus verschiedenen Bereichen zu kombinieren, um ein Problem zu lösen.

Daher lohnt es sich immer Zeit in das Lernen von universellem Wissen zu investieren.